Der Schulunterricht der Zukunft: Lehrerin vom Gymnasium Miesbach erklärt, was sich durch Corona ändern wird

"Die Digitalisierung an den Schulen ist in Gang gekommen. Am Gymnasium Miesbach berichtet Schulleiter Rainer Dlugosch von einer großen Nachfrage sener Kollegen an Fortbildungen im Bereich Unterricht und Digitalisierung. Doch was bleibt, wenn die Schüler wieder in Präsenz in die Schule zurückkehren? Wir fragten dazu Verena Hinkel (35), die am Gymnasium Englisch und Latein unterrichtet.

► Frau Hinkel, Sie unterrichten unter anderem Latein. Wie kommen die Alten Römer mit dem Computer klar? 
Sehr gut. Wir machen etwas Neues: weg vom Schulbuch – hin zum E-Book. Die Klasse erstellt dabei mittels einer App ihr eigenes Grammatikbuch. Dort stelle ich Lernvideos und Lern-Apps ein, die sich jeder Schüler jederzeit anschauen kann. Der schwächere Schüler kann es sich zehnmal anschauen, der bessere spart es sich. 

Mehr Möglichkeiten für Schwächere 

► Worin liegt der Vorteil? 
Wir arbeiten kollaborativ, erarbeiten alles also gemeinsam. Der Vorteil ist, dass Schwächere hier leichter einsteigen können. Im Klassenzimmer traut man sich das vor den anderen nicht so. Auf jeden Fall wird das angestaubte Latein so ganz schön lebendig. 

► Dann könnten wir ja komplett in den Distanzunterricht wechseln, oder? 
So einfach ist es auch nicht. Als der Online-Unterricht neu war, war die Motivation hoch. Jetzt lässt diese aber spürbar nach. Die Kinder vereinsamen allein.

► Dennoch haben sich viele Kollegen speziell auf den digitalen Unterricht fortgebildet – auch Sie. 
Ja, im Kollegium sind da alle sehr engagiert. Jede Klasse hat ihr individuelles Klassenzimmer im Schulsystem Mebis. Dort stellen Lehrer Schaubilder, Lernvideos und Lernmodule ein. Es gibt dazu eine Reihe digitaler Werkzeuge. Bei Fremdsprachen bieten sich Online-Karteikarten an. Außerdem haben wir ein interaktives Whiteboard. Auf dieses digitale Tafelbild kann jeder Schüler mit einem speziellen Stift etwas reinmalen und es ergänzen. Man erarbeitet sich das Wissen so gemeinsam – und das ganz nebenbei papierlos.

Hausaufgaben mit Lern-Apps

► Und Hausaufgaben? 
Da findet gewissermaßen eine Verschmelzung statt hin zum asynchronen Lernen. Die Schüler haben mehr Zeit, arbeiten aber mehr in Projekten, und der Lehrer stellt mehrere Lern-Apps zur Verfügung, die die Schüler entsprechend ihres Leistungsstands bearbeiten sollen. Es ist gewissermaßen ein Online-Spiel. Wörter ins Vokalheft schreiben wird so nicht mehr gemacht. Man bindet verschiedene Lernebenen ein und kombiniert sie. Wörter werden so angehört, gesucht und gesprochen.

► Was bleibt von all dem, wenn die Schüler wieder im echten Klassenzimmer sitzen? 
Das virtuelle Klassenzimmer bleibt. Man loggt sich ein und macht die Übungen dort, entsprechend der eigenen Leistungsstufe. Das bietet mehr Differenzierung und Individualisierung. Der Lehrer sieht dann, welches Kind was bearbeitet hat.

► Was bringt das? 
Die Hoffnung ist, dass gerade schwächere Schüler sich online mehr trauen, weil sie nicht vor der Klasse arbeiten. Insgesamt hat sich gezeigt, dass gerade die Fünftklässler sehr selbstständig arbeiten und eine gute Eigenverantwortung entwickelt haben. Man muss als Lehrer zwar anfangs mehr erklären, aber wenn es alle verstanden haben, sind sie sehr motiviert..."

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