Warum viele deutsche Schulen Microsoft-Lösungen ablehnen
"Es steht seit längerem zur Debatte, Microsoft-Lösungen an deutschen Schulen aus Gründen des Datenschutzes auszuschließen - noch ist keine Entscheidung gefallen. Eine offizielle Stellungnahme verschiedener Organisationen gibt nun Einblick in die Argumente für und gegen eine Verwendung von Microsoft 365 an den Schulen.
Online-Formate für Schulen und andere Bildungseinrichtungen gibt es nicht erst seit der Corona-Pandemie, ihre Bedeutung hat allerdings seither deutlich zugenommen: Wegen der Pandemie mussten seit Anfang letzten Jahres fast alle Schulen zumindest übergangsweise schließen und auf Homeschooling umsteigen - dies zeigt eine Karte der UNESCO. In Deutschland steht dabei jede Schule individuell in der Verantwortung für die Wahl der »richtigen« Online-Plattform und deren Datenschutzkonformität. Auf der Deutschen Datenschutzkonferenz (DSK) Mitte Juli 2020 wurde jedoch mit einer knappen Mehrheit abgestimmt, dass »kein datenschutzgerechter Einsatz von Microsoft Office möglich ist« und das Programm deswegen an deutschen Schulen nicht mehr verwendet werden darf. Entsprechend dieser Entscheidung könnten Schulen zwar weiterhin selbst eine Plattform wählen, solange es sich nicht um Microsoft 365 handelt.
Entscheidung noch nicht umgesetzt - Diskussion geht weiter
Die Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder Baden-Württemberg, Hessen, Saarland und Bayern waren mit dieser Entscheidung jedoch nicht einverstanden und forderten, dass sie noch nicht direkt umgesetzt wird.
Die Zuständigen des Landes Baden-Württemberg sind nicht nur nicht einverstanden mit der Entscheidung auf der DSK, sie führen bereits seit einiger Zeit ein Pilotprojekt an Schulen durch - Microsoft 365 wird offiziell für den Schulbetrieb getestet. So ist Susanne Eisenmann, Kultusministerin Baden-Württemberg, der Meinung, dass die Microsoft-Lösung zwar verbessert, aber nicht ausgeschlossen werden sollte. T-Online zitiert ihre Sprecherin wie folgt: »Viele Schulen weisen darauf hin, dass sich diese Produkte intuitiv bedienen lassen und damit den schulischen Alltag einfach und pragmatisch unterstützen.« Es sei verwunderlich, dass die Bedürfnisse der Schulen nicht zur Kenntnis genommen und die Realitäten des Alltags verkannt würden.
Kontra-Argumente: Digitale Souveränität, Datenschutz, Schulfrieden, Erziehung und Ökonomie
Mitte Januar wurde nun von 20 verschiedenen Organisationen aus Baden-Württemberg (darunter der Landeselternbeirat, der Landesschülerbeirat, die Verbraucherzentrale sowie die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft) eine »gemeinsame Stellungnahme zu Verwendung von Cloud-Software in Schulen« veröffentlicht.
Die Stellungnahme richtet sich gegen die Verwendung von MS 365 an deutschen Schulen. Ein Argument ist digitale Souveränität: »Ein [Land] darf sich nicht von einem Cloud-Angebot wie MS 365 abhängig machen, über das es nicht mit voller Souveränität selbst, sicher und dauerhaft verfügt, weil es jederzeit vom Anbieter oder auf Anweisung der Regierung des Landes des Firmensitzes in der Nutzung eingeschränkt oder gar abgeschaltet werden kann.« Systemrelevante Bereiche im Allgemeinen dürften nicht von einem unkontrollierbaren Unternehmen abhängig sein. Stattdessen sollten datenschutzgerechte Open-Source Lösungen genutzt werden - es gebe bereits Programme, die alle MS 365-Funktionen ausführen können und an einigen Einrichtungen bereits erfolgreich angewendet würden. Genannt werden Moodle (Lernplattform), BigBlueButton (Videokonferenzsystem), LibreOffice (Bürosoftware), Thunderbird (Mailprogramm) und Nextcloud (Dateiablage und Kooperation).
Zum Thema Datenschutz erklären die Organisationen in ihrer Stellungnahme, dass der Microsoft-Quellcode geheim ist, weswegen die Datenschutzkonformität der Plattform überhaupt nicht nachgewiesen werden könne. Und: »Auch der LfDI (Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit) Baden-Württembergs hat weiterhin erhebliche Zweifel an der aktuellen und nachhaltigen Datenschutzkonformität von MS 365.« Dass an Schulen datenschutzgerechte Plattformen genutzt werden sei für die Schüler aus zweierlei Gründen relevant: Zum einen könnten Schulen den Schülern durch die Verwendung solcher Plattformen Verantwortung vermitteln und Medien- sowie Verbraucherbildung betreiben. Zum anderen könne der Schulfrieden absehbar nur durch die Verwendung datenschutzgerechter Plattformen gewahrt werden - es gebe schließlich immer Schüler, Eltern oder Lehrer, die Wert auf ihre Grundrechte (in diesem Fall: Privatsphäre und Datenschutz) legen. In der Stellungnahme wird erklärt, dass eine Einforderung von Grundrechten in den Hierarchien und Abhängikten an Schulen schnell zu persönlichen Nachteilen führen könnten, was in jedem Fall verhindert werden müsse.
Das letzte Argument der baden-württembergischen Organisationen ist die Förderung heimischer Arbeitsplätze: Wer die Ökonomie in Deutschland und Europa stärken wolle, solle besser deutsche oder europäische Plattformen nutzen als einen US-amerikanischen Tech-Giganten zu unterstützen..."