Die Schule der Zukunft: Wie lernen Deutschlands Kinder in 20 Jahren?
"Berlin. Emma und Leon gehen ohne Ranzen in die Schule. Bücher schleppen die Neuntklässler nicht, sie finden alles digital vor. Aus unterschiedlichen Lernvideos kann jeder für sich auswählen, welcher Lehrer ihnen etwas am besten erklärt. Das Programm, in dem sie Aufgaben bearbeiten, schickt sie bei der richtigen Lösung, wie in einem Computerspiel, ins nächste Level.
Die Lehrerin im Klassenzimmer geht im Klassenraum zu jeder Schülerin und jedem Schüler. Sie beantwortet individuell Fragen, erkundigt sich aber auch, wie es zu Hause geht. Sie hat spannende Vorschläge für Projekte, in denen Emma und Leon sich mit Mitschülern Wissen erschließen und damit Probleme lösen können.
Wird das die Schule im Jahr 2040 sein? Oder ist es nur Science-Fiction?
Im Augenblick ist es für viele vor allem eine Szene aus einer unglaublichen Welt. Die Schulen durchlaufen in der Corona-Pandemie gerade einen Stresstest. In ganz Deutschland sammeln Schüler und Lehrer Erfahrungen mit dem digitalen Lernen – oft sind es zermürbende. Wäre in der Pandemie die Gründung neuer Schulbands möglich, würden sie sich vielleicht Namen geben wie »Die toten Server« oder »Einstürzende Lernplattformen«.
Bei vielen Eltern, die Homeoffice und Homeschooling verbinden müssen, liegen die Nerven blank. Mit Blick auf die Bildungschancen leiden insbesondere die Schüler, die zu Hause nicht so gut gefördert werden können und womöglich nicht einmal einen ruhigen Platz zum Lernen haben.
Was können die Schulen aus dem, was in der Krise funktioniert und was nicht, für die Zukunft lernen? Welche Rolle wird das digitale Lernen spielen, wenn die Pandemie niemanden mehr zwingt, solche Wege zu beschreiten? Wie sieht die Schule der Zukunft, wie sieht die Schule in 20 Jahren aus?
Forscherinnen und Forscher, Bildungsgewerkschaften und Eltern sind sich einig: Auch in den Schulen muss eine digitale Infrastruktur, wie sie in jedem halbwegs gut funktionierenden Großunternehmen vorhanden ist, so schnell wie möglich selbstverständlich sein.
Doch ist das alles? Benötigen wir einige Milliarden für digitale Modernisierung – und das war es dann auch schon? So einfach ist es nicht, warnen Experten wie OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher, der als Chef der Pisa-Studie dafür zuständig ist, die erlernten Kompetenzen von 15-Jährigen in aller Welt miteinander zu vergleichen.
Schleicher unterstreicht einerseits, welche Chancen in den digitalen Mitteln liegen. »Warum sollten Schüler beim Durchführen eines Experiments nur zuschauen, wenn sie das im virtuellen Laboratorium selber durchführen können?«, fragt er. Gleichzeitig sei die Technologie in der Lage, das Lernen der Schüler feinkörnig zu erfassen. Sie könne sehr genau erkennen, wo eine Schülerin oder ein Schüler Probleme habe – und die Aufgaben passgenau adaptieren.
Der Chef der Pisa-Studie sagt, es gehe darum, die neuen Technologien wirksam in das Unterrichtsgeschehen zu integrieren. Doch im Wesentlichen komme es auf das Miteinander von Schülern und Lehrern an. »Als Lehrkraft von heute und morgen müssen Sie ein guter Coach sein, ein guter Mentor«, sagt Schleicher. »Sie müssen Ihre Schüler als Personen kennen, nicht nur Ihr Unterrichtsfach.« Bildung sei Beziehungsarbeit.
Das ist eine Einschätzung, die durch die Erfahrungen aus dem Lockdown gestützt wird. Kaum jemand käme in dieser Situation auf die Idee, dass Fernunterricht den Präsenzunterricht wirklich ersetzen könnte – selbst, wenn Server und Lernplattformen immer stabil wären..."