Digitalisierung an Schulen: 404 – Arbeitsblatt not found

"In vielen Bundesländern brechen im Fernunterricht Schulclouds zusammen, die auf der Software Moodle basieren. Für Massenanstürme ist sie nicht gemacht. Muss sie das sein?
Statt Englisch, Mathe oder Physik lernten viele Schülerinnen und Schüler am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien erst einmal HTTP-Fehlercodes auf ihren digitalen Geräten. 502 steht für »Bad Gateway«, 504 für »Gateway Timeout«, alle mit einer 5 vorne bedeuten: Da stimmt was nicht mit dem Server, der Infrastruktur hinter jeder Plattform im Internet. Genau die war das Problem in vielen Bundesländern, jetzt, als Schulen in den Fernunterricht wechseln mussten. Vielerorts machten die Lernmanagementsysteme unter der Last der vielen gleichzeitigen Nutzerinnen und Nutzer schlapp und fielen aus – und mit ihnen oft der Unterricht.

In Bayern lief das Programm Mebis, das genau diese Aufgaben erfüllen soll, vor Weihnachten schon nicht zuverlässig, kaum dass der Fernunterricht begonnen hatte – und löste damit eine Diskussion um Schulsoftware aus, die nach den Ferien weiterging. Tatsächlich klappte der Start in Bayern am 4. Januar etwas besser, als der vorherige Ausfall befürchten ließ. In Berlin, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz lief es nach den Ferien allerdings holprig. Aus all diesen Ländern heißt es, dass die Systeme seit den ersten Tagen nach den Ferien besser mit dem Ansturm klarkommen, auch wenn es vereinzelt nach wie vor Berichte von Schwierigkeiten gibt.

Lernmanagementsysteme sind im Moment wichtig, weil sie für Schülerinnen und Schüler oft einen einfachen Draht zur Schule ermöglichen. Denn derzeit ist nicht zu erkennen, dass Schulen in den kommenden Monaten zum Präsenzunterricht wie in Vor-Pandemiezeiten zurückkehren werden. Auf den digitalen Portalen können sie Lernmaterialien und Aufgaben abrufen und dort laden sie die bearbeiten Aufgaben wieder hoch. Häufig sind die Systeme auch der einzige wirklich etablierte Kommunikationsweg mit den Lehrerinnen und Lehrern. Viele Bundesländer haben dafür selbst entwickelte Lösungen im Einsatz – und genau die stürzten reihenweise ab.

So entstand in der Öffentlichkeit das Bild: Die Schulen haben es wieder nicht hinbekommen. »Dieser Schulstart ging in die Hose«, kommentierte etwa der SWR. Auf Twitter wurde unterdessen häufig berichtet, dass dort, wo die kommerzielle Software Microsoft Teams eingesetzt werde, kaum Probleme entstanden seien. Vorgetragen wird das mitunter mit einer gewissen Häme, es schwingt der Vorwurf mit: Die hausgemachten Lösungen der Länder taugen einfach nichts.

Tatsächlich ist das Ganze komplexer – um es zu verstehen, hilft es, zunächst auf die Details der bestehenden Lösungen zu schauen, die jetzt ausgefallen sind.

Ein Software-Sammelsurium 
Viele der Lernmanagementsysteme, die in den Bundesländern eingesetzt werden, basieren auf der Software Moodle, einer sehr verbreiteten Lernplattform mit weltweit mehreren Hundert Millionen Nutzern. Das bayerische Mebis fußt im Kern auf Moodle, ebenso das Logineo LMS in Nordrhein-Westfalen, Lernen Hamburg, der Lernraum Berlin. Auch Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt nutzen Moodle. Andere Bundesländer betreiben Plattformen, in die Moodle integriert werden kann, etwa das Schulportal Hessen oder die Niedersächsische Bildungscloud. Wieder andere Länder setzen auf andere Anbieter, es gibt zum Beispiel die kommerzielle Software itslearning und die vom Bundesbildungsministerium zunächst mit rund sieben Millionen Euro und zu Beginn der Corona-Krise mit weiteren zwölf Millionen Euro öffentlich geförderte Open-Source-Schulcloud des Hasso-Plattner-Instituts.

In den meisten Bundesländern ist die landesweite Lösung nur ein Angebot, Schulen können dann selbst entscheiden, was sie nutzen wollen. Deshalb ist es schwer zu sagen, welche Software nun gerade für wie viele Schülerinnen und Schüler die Materialien für den Unterricht liefern soll. Wahrscheinlich ist: Es dürften mittlerweile die meisten Schulen ein solches System haben, nicht selten sogar mehrere. 

Berichte von Problemen gab es in letzter Zeit praktisch von allen Anbietern. In Mecklenburg-Vorpommern etwa kommt es immer wieder zu Ausfällen von itslearning, die HPI-Schulcloud hatte kurzzeitig zu kämpfen, weil sie Opfer einer sogenannten DDoS-Attacke wurde, einem gezielten Angriff, der zur Überlastung der Systeme führen sollte. In Thüringen wurde das dortige Lernportal im Februar mit einer solchen Attacke lahmgelegt.

Genauso wenig, wie es eine Statistik darüber gibt, welches System wo im Einsatz ist, wird zentral erfasst, welches wann ausfällt. Im Moment sieht es aus, als wäre Moodle die am weitesten verbreitete Software und gleichzeitig auch die anfälligste. Warum aber brechen ausgerechnet diese Systeme reihenweise zusammen?..."

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