Neuköllner Schul-AG als bester Tiktok-Kanal 2021 nominiert
"Der Neuköllner Lehrer Robin Grimm ist mit seinem Tiktok-Kanal »herr.grimm« für den Goldenen Blogger 2021 nominiert. Seit einem Jahr veröffentlicht er satirische Videos zum Thema Schule. Im Interview erzählt Grimm, warum er die Clips mit seinen Schülern dreht.
rbb|24: Herr Grimm, Ihr Tiktok-Kanal hat mittlerweile mehr als eine Million Follower. Wie ist er entstanden?
Robin Grimm: Anfang März 2020 war ich mit meinen Schülern auf Klassenfahrt in Paris. Dort haben ein paar Mädels Tiktok-Tänze gemacht und dazu gesungen. Ich habe erst überhaupt nicht verstanden, was sie da machen. Aber sie haben mir das Ganze erklärt und gesagt: Herr Grimm, wir machen Ihnen jetzt einen TikTok-Kanal, jetzt tanzen Sie mal und wir nehmen das auf. Es war ein relativ alberner Tiktok-Tanz.
Ich bin grundsätzlich für alle Schandtaten zu haben und dachte: Okay, den Spaß machst du jetzt mal mit. Da lachen die Schüler und dann hat es sich auch wieder erledigt. Daraus wurde dann aber nichts: Am ersten Tag hatte mein Kanal schon 25.000 Aufrufe. Meine Schüler haben sehr krass darauf reagiert, dass dieses Video viral ging. Sie meinten: »Oha Herr Grimm, Sie werden jetzt voll fame.«
Wie ging es dann weiter?
Nach dem ersten Lockdown habe ich angefangen, mit meinen Schülern Videos zu drehen - natürlich mit dem Einverständnis der Eltern. Wir machen hauptsächlich Comedy- und Tanzvideos. Ich bin früher professioneller Tänzer gewesen und kann diese tänzerische Kultur, die ein großer Teil von Tiktok ist, mit reinbringen. Vor Corona hatte ich eine Tanz-AG an der Schule geleitet.
Es gibt durchaus Parallelen zwischen Herrn Grimm auf Tiktok und Herrn Grimm im Unterricht. Die Parallelen sind wahrscheinlich auch erschreckend groß, aber in der Unterrichtssituation ist es in keiner Weise so, dass der nötige Respekt fehlt. Vielmehr glaube ich, dass Schüler es toll finden, dass Lehrer sich mit ihren Themen auseinandersetzen. Das fördert sogar den Respekt bei den Schülern.
Was ist typisch für Ihren Kanal?
Wir wollen unsere Zuschauer zum Lachen bringen. Wir zeigen Szenen aus dem Schulalltag, komödiantisch und satirisch aufgearbeitet. Es ist immer eine große Portion Selbstironie dabei, weil das eine ganz wichtige Eigenschaft ist. Wir haben alle ein deutlich entspannteres Leben, wenn wir über uns selbst und unsere Schwächen lachen können und uns selbst nicht in jeder Situation ernst nehmen.
Das ist besonders wichtig an einer Brennpunktschule, weil hier schnell Situationen entstehen, in denen es unter den Schülern aufkocht und zu Aggressionen kommt - durch eine Beleidigung oder einen falsch formulierten Satz. Deswegen finde ich es wichtig, dass Schüler lernen, Dinge, die gesagt werden oder passieren, nicht immer so ernst zu nehmen.
Wie kommen Sie auf die Ideen?
Die Inspiration für unsere Videos kommt aus realen Vorfällen. Zum Beispiel vor zwei Jahren: Ein Schüler hatte sich nach meinem Sportunterricht im Sekretariat krank melden lassen, um nach Hause zu gehen. Im Sportunterricht war davon noch nichts zu merken. Zehn Minuten später, ich hatte eine Freistunde und war in der Stadt unterwegs, habe ich ihn beim Dönerladen sitzen sehen, wie er mit seinen dollen Bauchschmerzen einen Döner verdrückt hat. Da bin ich ein bisschen böse geworden. Aus dieser absurden Situation haben wir ein Video entwickelt - natürlich alles anonym und in Absprache mit dem Schüler.
Was lernen Ihre Schüler*innen durch den Tiktok-Kanal?
Zum einen handwerkliche Kompetenzen im Bereich Video Creating: Kreativität, Skripte entwickeln, Storytelling. Einen Blick zu entwickeln für Kameraführung, Bildausschnitt, Licht, Ton, Schnitt, Musik. Zum anderen Selbstbewusstsein. Die Schüler produzieren etwas, und dieses Produkt wird veröffentlicht. Und sie sehen, dass das, was sie produzieren, gut ankommt. Sie bekommen tolle Rückmeldungen. Und das macht was mit ihnen, das bringt ganz viel Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Manche meiner Schüler werden mittlerweile sogar auf der Straße erkannt.
Gibt es Kritik an Ihrem Kanal, etwa wegen Datenschutz?
Kritisiert wird, dass in einigen Videos der Lehrerberuf mit Vorurteilen dargestellt wird. Aber über dem Kanal steht: »Comedy und Satire zu Schule«. Da braucht sich keiner in seinem Berufsethos angegriffen zu fühlen, wenn witzige Videos zwischen Schülern und Lehrern entstehen. Bedenken in Richtung Datenschutz sind relevant, aber der Kanal ist nur mit meinen persönlichen Daten gefüttert. Von den Schülern sind da keinerlei Daten veröffentlicht oder in irgendeiner Form abgreifbar. Das einzige, was man sehen kann, ist, dass Schüler XY an der Schule Z zur Schule geht. Das ist nicht gefährlich und nicht relevant und interessiert im Grunde auch niemanden.
Die Eltern aller Darsteller haben schriftlich ihr Einverständnis gegeben, dass ihre Kinder mitmachen dürfen. Es werden keine Videos gedreht oder veröffentlicht, mit denen die Schüler nicht einverstanden sind..."