"Panik, einfach nur Panik" – Die verzweifelten Gedanken von Berliner Schülern
"Eine Schülerin einer Berliner Schule hat Jugendliche aufgefordert, ihre Gefühle digital niederzuschreiben. Entstanden ist eine Sammlung beklemmender Texte. Schüler berichten, dass sie sich fühlen »wie Maschinen«, fünf Tassen Kaffee am Tag trinken oder nachts weinen.
Aussagen von Berliner Schülern sorgen in der Hauptstadt für Bestürzung. Die Schüler einer Oberschule in Tempelhof-Schöneberg hatten ihre Gedanken auf einer digitalen Pinnwand veröffentlicht. Diese Pinnwand war die Idee einer Schülerin.
Die Ansichten der Jugendlichen über die Corona-Krise und das Homeschooling zeugen von Wut, Traurigkeit und vielen Ängsten. Die Initiatorin hatte nur zwei Fragen gestellt: Wie geht es mir? Und: Was können die Schule, die Lehrer oder auch wir verändern, damit es uns besser geht? Über die Antworten hatten unter anderen die Berliner Zeitung und der Tagesspiegel berichtet. Besonders die Jugendlichen, die sich kurz vor den Abschlussprüfungen befinden, stehen offenbar unter großem Druck und fühlen sich allein und hilflos.
Sie haben das Gefühl, wie einsame »Maschinen« funktionieren zu müssen, die zwischen Bett und Schreibtisch pendeln. Sie fragen sich, wann das alles ein Ende haben wird. Andere berichten von ständigen Streitereien mit den Eltern oder Unterlagen, die in der Zeit des Homeschooling völlig durcheinander sind. Sie fürchten sich vor den Arbeiten, die bald wieder in der Schule geschrieben werden. Die Schulleitung und die Schülervertretung hatten beschlossen, die Texte anonym zu veröffentlichen. Hier die Aussagen der Schüler:
Zitate von der digitalen Pinnwand
»Früher war in meiner Familie nicht alles perfekt … wir verstanden uns gut trotz der Trennung unserer Eltern und lebten harmonisch miteinander. jetzt sieht die Situation folgendermaßen aus: meine kleine Schwester braucht durchgehend schulische Unterstützung, die meine Eltern ihr nicht geben können, weil sie selber arbeiten müssen und kaum noch Zeit haben … meine Eltern haben mehr und mehr Probleme durch Corona und man bemerkt das auch, dass geht natürlich extrem auf die Psyche, weil man sich verantwortlich fühlt. Meine andere Schwester hat einfach aufgegeben und sitzt nachts weinend im Bett und schläft tagsüber - sie nimmt einfach nicht mehr am Homeschooling teil, weil es ihr zu viel wird. (…) Die kleinste fühlt sich vernachlässigt und schreit und meckert nur noch. und wer muss sich um alles kümmern: die Abiturientin, die eigentlich andere Sachen zu tun hätte. (…) SchülerInnen haben so viel Stress, dass sie mehr trinken, rauchen, Drogen nehmen.«
»Panik, einfach nur Panik«
»Am Anfang macht man einmal keine Aufgaben, weil man sie nicht abschicken muss oder sie nicht verständlich sind. Nach spätestens einer Woche wird plötzlich alles total viel. Man traut sich nicht sich zu melden, man kommt nicht mehr hinterher und bekommt Stress, da die Lehrer einem sagen, dass das so nichts wird mit einem guten Zeugnis. Die Arbeitsmaterialien und Hausaufgaben total durcheinander. Jetzt kommen Arbeiten über den Stoff vom Homeschooling. Panik, einfach nur Panik!«
»Angst, dass ich meine Zukunft in die Tonne schmeißen kann«
»Ich frage mich, wie ich überhaupt mein Abitur schaffen soll … meine Noten haben schon im letzten Semester komplett unter der Situation mit Corona gelitten. Ich hatte durchgängig Stress und dazu noch Angst mich und besonders meine Familie anzustecken. KEIN Lehrer war gnädig mit irgendeiner Note, oder hat aufgerundet. (…) KEIN einziger Arbeitsgeber oder eine Uni wird später feststellen ‘Oh Abitur Jahrgang 21/22’ da sind wir mal großzügiger. Ich habe einfach Angst, dass ich meine Zukunft in die Tonne schmeißen kann.«..."