Homeschooling in Österreich: "Schüler schätzen die Schule jetzt mehr"
"Der Wiener HAK-Lehrer und Kabarettist Andreas Ferner zieht Bilanz nach dem Corona-Lockdown im Klassenzimmer.
Auch wenn manche meinen, dass es eigentlich gar keiner Sommerferien mehr bedürfe, weil die Schüler ohnehin drei Monate Corona-Urlaub hatten, freut sich zumindest eine Berufsgruppe auf den Juli: die Lehrer. Einer davon ist Andreas Ferner, der als HAK-Lehrer (Wiener Handelsakademie) im Homeoffice auch auf seinen Nebenberuf als Kabarettist verzichten musste (erst ab 25. August tritt er wieder auf; Termine: www.andreasferner.at). Im Interview erklärt er, warum der Ferner-Unterricht im Fernunterricht schwieriger war, wie sich die Rückkehr ins Klassenzimmer angefühlt hat, welche Weisheit er seinen Schulabsolventen mitgibt und wieso er den Lehrerjob mit einem Behindertenparkplatz vergleicht.
Wiener Zeitung: Was ist anstrengender, Homeschooling oder in der Klasse stehen?
Andreas Ferner: Homeschooling ist viel anstrengender! Zumindest für mich. In der Klasse stehen ist genau meines. Auch wenn es mich oft ein bisschen an einen Auftritt vor sehr strengem und unruhigem Publikum erinnert (lacht). Aber kurz und ernst zusammengefasst: Beim Homeschooling bist du eigentlich permanent on duty, ständig will wer was von dir. Aber du kommst gleichzeitig nicht so gut an manche Schüler ran und bekommst nicht so gut mit, was sie wirklich brauchen. Auch das Mitreißen und Motivieren ist über die digitale Distanz schwerer. Im Klassenzimmer spürst du als Lehrer mehr, was die Schüler brauchen oder was man jetzt noch einmal intensiv erklären sollte. Und du bemerkst auch leichter, wenn sie wegdriften.
Was war für Sie als Lehrer, zweifacher Vater und Ehemann einer Krankenhausmitarbeiterin die größte Herausforderung in der Corona-Zeit daheim?
Andreas Ferner: Es war insgesamt eine meiner größten Herausforderung bisher. Meine Kinder sind noch sehr klein, zwei und sechs Jahre, und brauchen natürlich viel Betreuung. Meine Frau konnte als Physiotherapeutin im Spital klarerweise kein Homeoffice machen, während ich als Lehrer ständig daheim war. Und dann noch gleichzeitig die ganze Absagenkatastrophe im Kabarettbereich managen und das Geschäft trotzdem irgendwie über Online-Auftritte weiterführen... Also, Kurzfassung: Fad war mir nicht, und ich hatte offen gesagt ein paar echte Durchhänger. Aber nach einiger Zeit konnte ich dann doch den Schalter umlegen und mich mehr auf die positiven Dinge fokussieren. Da sind dann auch ein paar wirklich schöne Sachen passiert, zum Beispiel hat ServusTV mein Kabarettprogramm »BildungsFERNER« erworben und strahlt es jetzt zum Schulschluss aus (26. Juni, 22.10 Uhr, Anm.).
Was hat sich bei den Schülern verändert?
Andreas Ferner: Der Unterricht für die Oberstufe hat genau an dem Tag begonnen, an dem die Maskenpflicht in der Schule aufgehoben wurde. Masken hat also niemand getragen. Ich habe das Gefühl, viele Schüler können die Schule und den Unterricht gerade mehr schätzen, da sie vielleicht in der Quarantänezeit gemerkt haben, dass das Daheimsitzen - ohne diese Struktur und vor allem ohne den sozialen Kontakt mit Mitschülern und Lehrern - auch nicht das Wahre ist. Und der Unterricht ist mit der Hälfte der Schüler schon entspannter, ruhiger und teilweise produktiver. Kleinere Klassen wäre also schon was sehr feines. Auch für die Schüler.
Die Schmalspur-Matura heuer hat im Vorfeld viele Schüler gefreut...
Andreas Ferner: ... das war keine Schmalspur-Matura. Diese spezielle und vor allem komplett neue Situation des Corona-Lockdows hat das Ganze sehr herausfordernd für die Schüler gemacht. Es war meiner Meinung nach richtig, darauf Rücksicht zu nehmen.
Welchen Wert hat die Matura eigentlich heute insgesamt?
Andreas Ferner: Mein brutaler erster Gedanke ist: Sie hat keinen Wert mehr. Um den Kabarettisten sprechen zu lassen: Bei der »Millionenshow« gewinnt man eventuell eine Million, bei der Zentralmatura nicht einmal einen Studienplatz. Da muss man meistens erst eine Aufnahmeprüfung machen. Und nur mit der Matura einen Job zu finden, wird auch schwieriger - außer man hat eine berufsbildende Matura wie HTL oder HAK. Wobei ich zu den Aufnahmeprüfungen jüngst gelesen habe, dass allein schon deren Existenz viele Studienbewerber abschreckt - ohne dass sie überhaupt wüssten, was abgefragt wird. Ich ziehe da den positiven Umkehrschluss und sage meinen Schülern: Wenn ihr daraus lernt, dass ihr diejenigen seid, die hingehen, dann seid ihr schon einmal bei den Besten dabei. Das ist doch eine extrem interessante Erkenntnis: Diejenigen, die sich so einer Aufnahmeprüfung stellen, und sei es im zweiten oder dritten Versuch, gehören zu den Gewinnern..."
Zum Interview der Wiener Zeitung.at.