Ferienende in der Corona-Krise: "Meist tragen die Lehrer das Virus in die Schule - nicht die Kinder"

"In den ersten Bundesländern findet wieder regulär Unterricht statt, doch die Corona-Regeln unterscheiden sich. Der Kinderarzt Johannes Hübner erklärt, worauf es in Schulen und Kitas jetzt ankommt.

SPIEGEL: Herr Hübner, die Corona-Fallzahlen in Deutschland steigen weiter, am Donnerstag hat das Robert Koch-Institut (RKI) erstmals seit drei Monaten mehr als 1000 Corona-Neuinfektionen an einem Tag gemeldet. Ist es richtig, Schulen und Einrichtungen für kleinere Kinder wieder regulär zu öffnen? 

Johannes Hübner: Da gibt es aus meiner Sicht keine Alternative. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf Bildung, Teilhabe, Förderung und Betreuung und leiden stark darunter, wenn sie nicht in die Schule gehen können. Das steht so auch ausdrücklich in einer Leitlinie, die ich gemeinsam mit anderen Medizinern erarbeitet habe.

Wir wissen inzwischen, dass die häusliche Gewalt zunimmt, außerdem haben die Kinder in der Lockdown-Phase viel weniger Zeit mit Lerninhalten verbracht, das hat gerade erst eine Studie gezeigt. Die Frage ist nicht, ob es richtig ist zu öffnen, sondern wie wir es vernünftig hinbekommen. 

SPIEGEL: Die Bundesländer haben sehr unterschiedliche Regeln erlassen. In Brandenburg ist keine Maskenpflicht geplant, in Baden-Württemberg gilt sie zumindest auf weiterführenden Schulen auf dem gesamten Schulgelände, im Unterricht aber nicht. In Nordrhein-Westfalen dürfen nur Grundschüler ihre Masken am Platz im Klassenzimmer abnehmen. Welche dieser Regeln sind tatsächlich sinnvoll?

Hübner: Es ist wichtig zu betonen, dass Masken grundsätzlich wirksam sind. Darüber gibt es keinen Zweifel mehr, zahlreiche Studien zeigen das. An Masken - egal welcher Art - kommen wir also nicht vorbei. Trotzdem sollten wir abwägen, in welchen Situationen ihr Einsatz im Verhältnis zum konkreten Infektionsrisiko eine zu hohe Belastung darstellt, gerade bei Kindern. Es muss auch zwischen verschiedenen Altersstufen unterschieden werden. 

SPIEGEL: Zu welchem Schluss kommen Sie? 

Hübner: In den meisten Situationen ist es kein Problem, eine Maske zu tragen. Wir haben uns daran gewöhnt, bei uns in der Klinik tragen alle Mitarbeiter ständig eine Maske. Auch den größeren Kindern ab zehn Jahren ist es zuzumuten, auf dem Pausenhof, in den Gängen und auf dem Weg ins Klassenzimmer eine Maske aufzusetzen.

Jüngere Kinder spielen in der Pandemie dagegen wahrscheinlich eine geringere Rolle. Beobachtungen aus verschiedenen Ländern, die Schulen und Kindergärten nicht geschlossen oder schon länger wieder geöffnet haben - China, Korea, Italien, Dänemark, Island und Irland -, zeigen ganz überwiegend, dass sich kleinere Kinder seltener mit dem Coronavirus anstecken und selten schwer erkranken. Sie müssen nach meiner Einschätzung aktuell keine Maske tragen. Am Platz können auch ältere Kinder den Schutz ablegen..."

Zum Artikel auf DER SPIEGEL.