Für digitale Schulbücher soll es ein Modellprojekt an sechs Leipziger Schulen geben
"Hätten digitale Schulbücher den Leipziger Kindern das »Homeschooling« während der Corona-Einschränkungen erleichtert? Ausprobieren konnte das noch niemand, denn sie stehen noch nicht zur Verfügung, auch wenn die Leipziger Stadtverwaltung schon 2018 die Aufgabe übernommen hat, die Nutzung von digitalen Schulbüchern in Leipziger Schulen zu prüfen. Und wie zu erwarten war, sind es auch die Lizenzmodelle, die das Ganze so vertrackt machen und massiv verzögern.
Wobei die Antwort des Amtes für Jugend, Familie und Bildung nach den »Homeschooling«-Erfahrungen noch etwas deutlich macht: Digitale Schulbücher nutzen überhaupt nichts, wenn die Kinder keine leistungsfähigen Endgeräte – also im Idealfall Tablets – zur Verfügung haben, mit denen sie auf die digitalen Inhalte auch zugreifen können. Auch in Leipzigs Schulen wurde deutlich, dass Kinder aus finanzschwächeren Elternhäusern in solchen Ausnahmezeiten erst recht benachteiligt sind.
Oder um es einmal so zuzuspitzen: Die Digitalisierung der Welt ist ein Projekt der besserverdienenden Eliten, die überhaupt nicht mehr mitbekommen, in was für einer technologischen Blase sie eigentlich leben.
Und dass die Digitalisierung der Schulen bislang immer wieder in der Sackgasse feststeckt, hat genau damit zu tun – mit Eliten-Vorstellungen von technischen Normalitäten, die für einen Großteil der Leipziger Familien und Schulkinder schlicht nicht bezahlbar sind. Familien, die deshalb froh sind, wenn sie die benötigten Schulbücher aus Papier in den Schulen ausleihen können. Was verständlicher macht, warum die meisten Schulbuchverlage noch keine wirklich praktikablen Lizenzmodelle für digitale Schulbuchinhalte haben.
Man habe den Stadtratsbeschluss von 2018 natürlich umgesetzt, betont jetzt das Amt für Jugend, Familie und Bildung auf eine Nachfrage der Grünen-Fraktion, die 2018 auch beantragt hatte, die Sache zu prüfen.
Wobei man einmal mehr froh ist, nicht in einem Amt arbeiten zu müssen. Dort gewöhnt man sich eine Sprache an, die so formalisiert ist, dass es einem die Haare zu Berge stehen lässt.
»Im Zuge der Prüfung wurden zunächst Abfragen bei Verlagen durchgeführt, von denen gemäß durchgeführter Recherchen umfangreiche Buchbestellungen durch die Schulen ausgelöst werden (siehe Informationsvorlage VI-Ifo-06927). Im Ergebnis gestalten sich die Lizenzmodelle sehr unterschiedlich. Ein wesentliches Problemfeld stellt die Überwachung und ordnungsgemäße Nutzung der Lizenzen dar. Daher sollte zunächst die modellhafte Erprobung der Bereitstellung digitaler Schulbücher als zusätzliches Angebot an ausgewählten interessierten Schulen mit einzelnen Verlagen durchgeführt werden«, so das prüfende Amt.
Lizenzen gibt es in der Regel aber nur, wenn auch das gedruckte Schulbuch gekauft wird.
Sechs Leipziger Schulen wurden ausgewählt, um im Modellprojekt mitzumachen. Und da die Praktiker nun einmal in den Schulen sitzen, wurde da noch deutlicher, wie chaotisch heutzutage die Ausstattung mit digitaler Technik ist.
Das zuständige Amt schildert das so: »Mit den ausgewählten Modellschulen wurden im 1. Quartal 2020 zwei Workshops durchgeführt, in denen Zielrichtung und Inhalt des Modellprojektes besprochen sowie erste Ergebnisse aus Gesprächen mit den Verlagen diskutiert wurden. Es wurde deutlich, dass aus Sicht der Schulen die Nutzung ausschließlich privater Endgeräte die Chancen digitaler Schulbücher deutlich einschränkt.
Darüber hinaus sind im privaten Bereich eine Vielzahl von Geräten im Einsatz, angefangen vom klassischen PC über Laptop bis hin zum Smartphone oder Tablet oder gar keinem geeignetem Gerät. Hinzu kommen unterschiedliche Betriebssysteme und Gerätealter. Unter diesen Voraussetzungen ist es möglich, dass nicht alle Schülerinnen und Schüler den gleichen Nutzen aus einem digitalen Schulbuch ziehen können. Darüber hinaus ist die Frage der Lizenzerwerbung und -verwaltung zu klären.«
Oder um es einmal so zu formulieren: Die Gier der Digitalkonzerne, die in einem völlig irren Takt von immer neuen Modellen und Software-Updates dafür sorgen, dass die Endkunden ständig nachkaufen müssen, verhindert jede vernünftige Standardisierung in den Schulen..."