Stifterverband fordert Pflichtfach Informatik – aber: In Deutschland fehlen dafür rund 17.000 Fachlehrer
Der Informatikunterricht in den Bundesländern ist laut einer Studie des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft und der Heinz Nixdorf Stiftung äußerst ungleich verteilt. Um Abhilfe seien kreative Lösungen gefragt.
Schülerinnen und Schüler aus den Bundesländern mit Pflichtfach Informatik haben im bundesweiten Vergleich die besten digitalen und informatischen Kompetenzen. Bedeutend weniger Kompetenzen weisen Jungen und Mädchen auf, die nur fächerintegrativen-, Wahl- oder gar keinen Informatikunterricht erfahren. Zu diesem Kernergebnis kommt das gemeinsame Diskussionspapier »Informatik für alle« des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft e. V. und der Heinz Nixdorf Stiftung. Informatikunterricht zahle demnach vor allem auch auf übergeordnete bildungspolitische Ziele ein.
Aktuell sei in Deutschland die Möglichkeit, digitale und informatische Kompetenzen im Schulunterricht zu erlangen, ungerecht verteilt. Um allen Kindern die gleichen Chancen zu bieten, fordert der Stifterverband daher sechs Wochenstunden Informatik als Pflichtfach in allen Bundesländern und Schulformen verteilt über die gesamte Sekundarstufe I einzuführen. Beginnt die Sekundarstufe I in der 5. Klasse, soll mithin bis zur 10. Klasse pro Schuljahr eine Wochenstunde Informatik unterrichtet werden.
»Man mag es kaum glauben: In der gerade veröffentlichten Digitalstrategie Deutschland gibt es nicht einen einzigen Satz zur Informatik-Bildung in der Schule«
Ein Pflichtfach Informatik fördere auch die Geschlechter- und Chancengerechtigkeit. Während es bei digitalen und informatischen Kompetenzen zwischen den Geschlechtern in Bundesländern ohne Pflichtfach Informatik deutliche Unterschiede gebe, seien diese in Bundesländern mit Pflichtfach Informatik nahezu ausgeräumt. Auch die Kompetenzen im Bereich Digitales und Informatik glichen sich mit einem entsprechenden Pflichtfach unabhängig vom sozioökonomischen Status an. Hier seien die Effekte allerdings kleiner und noch weitere Analysen notwendig.
»Man mag es kaum glauben: In der gerade veröffentlichten Digitalstrategie Deutschland gibt es nicht einen einzigen Satz zur Informatik-Bildung in der Schule. Digitale und informatische Kompetenzen sind aber die essenzielle Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft«, fasst Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär des Stifterverbandes, die Ergebnisse der Studie zusammen und verweist auf die hohe Bedeutung informatischer Kompetenzen: »Wir müssen diese Kompetenzen endlich als Allgemeinbildung, Zukunftsvorsorge und wirkungsvollen Beitrag zur Chancengerechtigkeit verstehen. Dem muss die Politik so schnell wie möglich nachkommen und Informatik als Pflichtfach in allen Bundesländern für alle Schulformen der Sekundarstufe I einführen. Unterschiedliche Lehrpläne in den Bundesländern dürfen nicht über die Berufschancen entscheiden.«
»Die Länder müssen nun dafür sorgen, über viele kreative Puzzlesteine eine gute Vermittlung von Informatik in den Schulen sicherzustellen«
Denn Deutschland gleiche laut einem zweiten Diskussionspapier von Verband und Stiftung hinsichtlich des Informatikunterrichts in der Sekundarstufe I einem Flickenteppich. Vorreiter im Informatikunterricht seien Mecklenburg-Vorpommern (1 Stunde pro Schuljahr von Klasse 5 bis 10, das heißt 6 Wochenstunden verteilt auf die gesamte Sekundarstufe I) und Sachsen (4 Wochenstunden verteilt auf die gesamte Sekundarstufe I). Bundesländer wie das Saarland, Niedersachsen, Hessen, Schleswig-Holstein oder auch Bayern planten mehr Verbindlichkeit, Pilotprojekte und/oder eine Ausweitung des Faches. Aus anderen Bundesländern seien dagegen öffentlich keine entsprechenden Pläne bekannt.
Eine große Herausforderung sei indes der massive Lehrkräftemangel. Deutschlandweit gebe es etwa 10.000 ausgebildete Lehrkräfte mit Lehrbefähigungen in Informatik an weiterführenden Schulen. Für die notwendige Einführung eines deutschlandweiten Pflichtfaches Informatik auf Spitzenniveau ab der Sekundarstufe I würden bundesweit mindestens 27.000 Lehrkräfte benötigt. Die große Lücke von 17.000 Lehrkräften könne mit rund 360 Absolventinnen und Absolventen im Jahr in naher Zukunft nicht geschlossen werden.
»Das derzeitige Momentum, Informatikunterricht flächendeckend einzuführen, darf nicht verspielt werden«, stellt dennoch Horst Nasko fest. »Die Länder müssen nun dafür sorgen, über viele kreative Puzzlesteine eine gute Vermittlung von Informatik in den Schulen sicherzustellen«, so der stellvertretende Vorstandsvorsitzender der Heinz Nixdorf Stiftung. »Das kann beispielsweise über gute Konzepte zur Nachqualifizierung derzeitiger Lehrkräfte aus anderen Fächern geschehen oder durch intensive Werbung für das Lehramt Informatik, aber auch durch Entlastungen derzeitiger Informatiklehrkräfte von anderen Aufgaben. Informatik bestimmt immer mehr unsere Arbeits- und Lebenswelt, darauf müssen wir unsere Kinder so gut wie möglich vorbereiten.«
► Diskussionspapier »Informatik für alle«
► Diskussionspapier »Informatikunterricht: Lückenhaft und unterbesetzt«
Quelle: News4teachers.de