IT-Schwachstellen: NRW-Schulministerium wusste wohl seit Monaten davon
Die Daten tausender Lehrkräfte sind unbemerkt ins Netz gelangt. CDU-Schulministerin Feller will davon erst im April erfahren haben. Doch WDR-Recherchen zeigen: ihr Haus war bereits im September über IT-Probleme informiert worden.
Es ist ein großes Paket, welches das Landesinstitut für Schule (QUA-LiS) Lehrkräften zur Verfügung stellt: Lehrpläne, Fortbildungskonzepte und Prüfungsaufgaben gehören dazu. Alles kann einfach online heruntergeladen werden. Bis zur großen Panne: Tausende Datensätze, die eigentlich nur intern einsehbar sein sollen, lagen plötzlich offen im Netz - darunter Adressen, Telefonnummern und Emailadressen der Lehrkräfte.
Das Datenleck hatte ein Hacker den Behörden mitgeteilt. Das Schulministerium, zu dem QUA-LiS gehört, ließ den Server abschalten. Externe IT-Fachleute wurden mit der Fehleranalyse beauftragt.
Landesinstitut informierte Ministerium bereits im September über IT-Probleme
Eine überraschende Panne? Wohl eher nicht - zeigen WDR-Recherchen. Denn QUA-LiS wusste um mögliche IT-Probleme. Der Internetauftritt sei in den letzten neun Jahren komplett in eigener Verantwortung entwickelt worden und entspräche nicht mehr heutigen Anforderungen an Datenschutz. So steht es in einem internen Schreiben an das Schulministerium, dass dem WDR exklusiv vorliegt. Bereits seit 2021 gebe es keine regelmäßigen Updates und Sicherheitspatches mehr. Weiter heißt es in dem Schreiben: »Daher ist es dringend erforderlich, das dynamisch gewachsene Internet-Angebot der QUA-LiS in ein rechtskonformes, technisch sicheres und zukunftsfähiges, den Anforderungen an Datensicherheit und Barrierefreiheit genügendes sowie zielgruppengerechtes Angebot zu transferieren.«
»Daher ist es dringend erforderlich, das dynamisch gewachsene Internet-Angebot der QUA-LiS in ein rechtskonformes, technisch sicheres und zukunftsfähiges, den Anforderungen an Datensicherheit und Barrierefreiheit genügendes sowie zielgruppengerechtes Angebot zu transferieren.«
internes Schreiben an das Schulministerium
QUA-LiS forderte vor Monaten externe Hilfe
Im Landesinstitut arbeitet vor allem pädagogisches Personal, also Lehrkräfte. Deshalb stünde für ein neues Internetangebot die benötigte Fachexpertise nicht zur Verfügung, schrieb QUA-LiS dem Schulministerium als zuständige Aufsichtsbehörde. Die Einbeziehung einer externen Agentur sei erforderlich. Doch passiert ist das offensichtlich nicht.
Die Schulministerin hatte im Landtag mehrfach erklärt, erst jetzt von dieser Schwachstelle erfahren zu haben. »Wir haben vor knapp zwei Wochen erstmals Informationen darüber erhalten«, sagte sie am 3. Mai 2023 in der Fragestunde des Plenums. Ist der Brief nie bei ihr angekommen?
Schreiben ja, Problemanzeige nein
Ein Interview gibt Dorothee Feller dem WDR in dieser Woche nicht. Schriftlich bestätigte ihr Haus aber am Sonntagabend: »Interne Recherchen haben jetzt ergeben, dass ein solches Schreiben vorliegt.« Dieses sei jedoch »keine akute Problemanzeige« gewesen. Es »diente ausschließlich dazu, Haushaltsmittel für eine geordnete Erneuerung des Webauftritts der QUA-LiS anzumelden und zu begründen«, hieß es auf dem Schulministerium.
Und weiter: »Weder bei dem Besuch der QUA-LiS durch die Hausleitung im August 2022 noch in Einzelgesprächen zwischen der Leitung und der QUA-LiS sind akute IT-Probleme seitens der QUA-LiS thematisiert worden.«
Opposition fordert Aufklärung und befürchtet Bauernopfer
Für Jochen Ott, Chef der SPD-Landtagsfraktion, ist das interne Schreiben »ein Hammer«. Wenn eine Behörde im Schulministerium um Unterstützung bittet und auf eine Schwachstelle hinweist, müsse die natürlich sofort behoben werden, sagte er vor der Stellungnahme des Ministeriums. Dann könne man Monate später nicht so tun, als ob man von allem nichts gewusst hätte. »Das muss die Ministerin jetzt dringend aufklären«, so Ott.
Bei der FDP ist die Sorge groß, dass Ministerin Feller versuchen könnte, die Schuld für die Probleme allein dem Landesinstitut QUA-LiS in die Schuhe zu schieben, es zum Sündenbock zu machen. Für die schulpolitische Sprecherin Franziska Müller-Rech ist aber klar: »Die politische und auch die organisatorische Verantwortung liegt im Schulministerium und liegt bei Dorothee Feller.«
Die Schulministerin selbst will die Abgeordneten am 7. Juni 2023 über die Fehleranalyse und die geplanten Konsequenzen informieren.
Quelle: WDR.de, Autorin: Martina Koch