Fernunterricht für geflüchtete Schüler aus der Ukraine

Ukrainisches Lehrpersonal versucht, trotz des Krieges den Unterricht für ihre geflüchteten Schülerinnen und Schüler aufrecht zu erhalten. Doch die Video-Konferenzen werden immer wieder durch Raketen-Alarm unterbrochen.
Mykhailo und Yvea sitzen in einem leeren Klassenraum der Beruflichen Schule Oldenburg in Ostholstein vor ihrem iPad. Es ist acht Uhr. Gleich geht der Online-Unterricht in ihrem Heimatland los. Heute steht eine Englisch-Aufgabe auf dem Programm. Vor rund drei Monaten sind die 17-jährige Schülerin und der 16-jährger Schüler aus dem Osten der Ukraine geflohen und leben seither in Neustadt (Kreis Ostholstein). »Wir haben täglich sieben bis acht Fächer - jeweils 40 Minuten«, sagt Mykhailo. Der Unterricht findet dreimal wöchentlich in der Schule und an den anderen Tagen zuhause statt. 

Zahl der geflüchteten Kinder und Jugendlichen nimmt zu 
Mehr als 4.300 Schülerinnen und Schüler, die vor dem Krieg in ihrer Heimat geflüchtet sind, werden derzeit in Schleswig-Holstein unterrichtet. Um die Integration ukrainischer Schüler und Schülerinnen in das Bildungssystem zu erleichtern, haben sich die Kultusminister unter dem Vorsitz von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) im Mai geeinigt, kurzfristig mehr ukrainische Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Aktuell arbeiten 103 Lehrkräfte aus der Ukraine an den Schulen in Schleswig-Holstein. »Die Kultusministerkonferenz stellt digitale ukrainische Unterrichtsmedien zur Verfügung und auch Materialien, die dabei helfen sollen, Kultur und Bräuche der Ukraine zu vermitteln«, so Bildungsministerin Prien. 

Online-Unterricht mit ehemaligen Mitschülern 
Viele ihrer Mitschüler sind in Polen, Rumänien, Tschechien, Frankreich oder Israel untergekommen. Von dort aus nehmen sie an dem Online-Unterricht teil, erzählt uns Mykhailo. »Ein Mitschüler ist in Kanada. Der hat manchmal Schwierigkeiten mit der Zeitverschiebung im Distanz-Unterricht.« Einige Klassenkameraden sind noch in der Ukraine. Yeva macht sich große Sorgen um sie. »In meiner Heimat Krementschuk gibt es viel Industrie. Daher wird die Stadt von der russischen Armee stark beschossen und es gibt sehr viel Alarm. Ganz oft schreiben mir meine Mitschüler und verabschieden sich von mir.« 

Schüler sollen trotz des Krieges Normalität erleben 
17 Schülerinnen und Schüler gehen in Oldenburg zur Schule. An der Beruflichen Schule werden sie neben dem Distanz-Unterricht auch in Fächern wie Deutsch, Mathe und Geografie in Präsenz unterrichtet. »Die Schüler lernen hier neue Freunde kennen und fühlen sich nicht allein«, erzählt die Beauftragte der Schule für Deutsch als Zweitsprache (DaZ), Khrystyna Rydau. Die Lehrerin kommt selbst aus der Ukraine und ist vor 20 Jahren nach Deutschland gekommen. Ihr Ziel sei es, die Jugendlichen auf ihre Abschlussprüfungen vorzubereiten, damit durch den Krieg keine Lernlücken entstehen, sagt sie. 

Viele Schüler wollen zurück in die Ukraine 
Mykhailo und Yeva fühlen sich wohl in ihrer Klasse in Deutschland. »Es ist sehr schwer, nicht darüber nachzudenken, was gerade in der Ukraine passiert. Da bietet unsere ukrainische Klasse für uns Geborgenheit. Wir werden dadurch auf andere Gedanken gebracht und man fühlt sich wie in einer normalen Welt.« Nächstes Jahr machen die beiden ihren Abschluss. Mykhailo will dann Biologie studieren. Yevas großer Traum ist es, Kindergärtnerin zu werden. Und das am liebsten wieder in der Ukraine.

Quelle: NDR.de, Autorin: Lilli Michaelsen