"Es braucht mehr als Schulbücher und staubende Kreide"
"Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle wollen erreichen, dass Digitalisierung ein Basiselement der Lehrerausbildung wird. Jedes Forstamt, jedes Polizeirevier und jede Straßenmeisterei ist digital besser ausgestattet als der Arbeitsplatz von Lehrern. Die Lehrerbildung steht auf der politischen Agenda selten weit vorn, »dabei braucht es weit mehr als schwere Schulbücher, staubende Kreide und natürlich Pädagogen, die überall fehlen«, geht Prof. Matthias Ballod hart mit dem Bildungswesen ins Gericht.
Der Didaktikprofessor bildet an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) die jungen Leute aus, die morgen und übermorgen vor den Klassen stehen. »Früher war es Konsens, dass der Lehrer seinen Schülern wissensmäßig immer einen Schritt voraus ist. Heute erklären Nerds Pädagogen die digitale Welt«, so Ballod. Während Schulen in Dänemark zu 100 Prozent digitalisiert sind, dümpele Deutschland bei 34 Prozent herum. Selbst Albanien sei auf den Datenautobahnen doppelt so schnell unterwegs. Verheerend, wenn man erlebt, welche Anforderungen in Zeiten von Homeschooling an Schüler wie Lehrende gestellt werden.
Vor drei Jahren wurde ein Digitalpakt beschlossen. Fünf Milliarden Euro Bundesmittel sollen bis ins letzte Klassenzimmer fließen. Nun wurde die Summe durch Mittel zur Minderung der Pandemiefolgen in den Schulen und durch Länderzuschüsse auf über sieben Milliarden aufgestockt. »Mal abgesehen davon, dass in der Fläche nur ein paar Tausender in jeder Schule ankommen werden, stockt auch der Mittelabfluss«, sagt Ballod. Bis 2024 werden für Sachsen-Anhalt 137 582 Millionen Euro Fördermittel in die Schulbildungsinfrastruktur sowie die Lehrerfort- und -weiterbildung investiert, 507 Euro pro Schüler. »Trotzdem, unser Bildungssystem wirkt auf Kante unterfinanziert. Digital liegen wir auf dem Niveau eines Schwellenlandes.«
Derweil untersuchen zehn Wissenschaftler der MLU unter der Leitung von Ballod bis Dezember 2023 am dortigen Zentrum für Lehrerbildung im Projekt Dikola (Digital kompetent im Lehramt) die Frage »Wie lässt sich Bildung in einer zunehmend digitalisierten und vernetzten Welt gestalten?«. Koordinatorin Katharina Heider betont, dass damit über das bisherige Klein-Klein hinausgegangen wird. »Es geht um weit mehr, als digitales Lehrmaterial für den Heimatkundeunterricht der Grundschule zu entwickeln«..."