Projekte ohne Noten, digital unterstützt: Ist das der Unterricht der Zukunft?

Digitaler, keine Noten, weniger Frontalunterricht: Wie könnte Schule in Zukunft aussehen? An der Universitätsschule Dresden forschen Wissenschaftler nach dem Unterricht von morgen. 
Veraltete Unterrichtskonzepte, schleppende Digitalisierung, zu wenig individuelle Förderung: Die Kritik am Schulsystem in Deutschland ist groß. Wie es besser gehen könnte, daran forschen unter anderem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der TU Dresden. Am Exzellenzcluster CeTI untersuchen sie den Einsatz digitaler Lernmittel und die Psychologie des Lehrens und Lernens gehen der Frage nach, wie Schülerinnen und Schüler stärker motiviert werden können. Die Universitätsschule entwickelt neue Lernformen in der Praxis.

Doch auch die Ausbildung der angehenden Lehrerinnen und Lehrer steht auf dem Prüfstand. »Wir stehen vor der Herausforderung, Lehrkräfte auszubilden, die ihre Schülerinnen und Schüler auf das nächste Jahrhundert vorbereiten«, formuliert Professor Rolf Koerber vom Institut für Berufspädagogik und Berufliche Didaktiken. Lehrerkräfte von heute werden Schülerinnen und Schüler unterrichten, die noch weit über das Jahr 2100 hinaus leben werden. Ziel des Lehramtsstudiums sei es deshalb, die Studierenden dafür zu sensibilisieren, sich und ihre Methoden regelmäßig selbst zu reflektieren und immer weiterentwickeln zu wollen. Projektarbeit, gut und professionell gemacht, aber auch das Classroom Management sind Aspekte der Didaktik, die heute einen viel höhersen Stellenwert im Lehramtsstudium genössen als früher.

An der Universitätsschule Dresden gehört das bereits zum Alltag. Der gemeinsame Schulversuch der Landeshauptstadt Dresden und der TU startete als öffentliche Schule in kommunaler Trägerschaft im Schuljahr 2019/20. Aktuell ist eine Gemeinschaftsschule vom ersten bis zum zwölften Jahrgang im Aufbau. Professorin Anke Langner hat das Forschungsprojekt Universitätsschule maßgeblich konzipiert und erklärt, worin sie sich von anderen Schulen unterscheidet.
»Der Unterricht erfolgt projektbezogen. Das heißt, die Kinder gehen einer Forschungsfrage nach und lernen in diesem Prozess, sich zu strukturieren und Methoden der Wissensaneignung zu verinnerlichen«, erklärt die Bildungswissenschaftlerin. Während Schülerinnen und Schüler sich mit dem Thema weitgehend selbstständig, aber unterstützt durch Lernbegleiterinnen und -begleiter beschäftigen, eignen sie sich Fachwissen an.

Daneben unterscheidet sich die Universitätsschule in weiteren Aspekten von anderen Schulen. So haben die Schülerinnen du Schüler hier keine Ferien zu festen Zeiten, sondern können flexibel Urlaub nehmen. Es gibt über den gesamten Tag Lernangebote, um den Lernprozess zu entschleunigen. Auch auf eine Benotung wird verzichtet. »Was aber nicht bedeutet, dass es kein Feedback gibt«, fügt Anke Langner hinzu. Auch an der Universitätsschule wird genau beobachtet, auf welchem Stand sich ein Schüler oder eine Schülerin gerade befindet. »Wenn zu wenig transparent gemacht wird, wie die Noten zustande kommen, kann das dem Lerneffekt schaden«, weiß auch CeTi-Professorin Susanne Narciss. Die Psychologin plädiert daher für klare Leistungskriterien und Feedback, aus dem die Lernenden Rückschlüsse ziehen können, wie sie sich verbessern können.

Einen großen Stellenwert legt die Universitätsschule auf digitale Wissensvermittlung. Das Digitale wird neben Schreiben, Rechnen und Lesen als vierte Kulturtechnik in den Lernprozess eingebunden. Wie das funktionieren soll, erläutert Katharina Porepp ebenfalls vom Exzellenzcluster CeTI.

Ihrer Meinung nach hängt Schule in Deutschland hinsichtlich der Digitalisierung gut 20 Jahre hinterher. Sie ist sich dennoch sicher, dass im Klassenraum der Zukunft verstärkt digitale Medien zum Einsatz kommen. Mithilfe von Tablets mit Eingabestiften oder VR-Brillen lasse sich Unterricht viel interaktiver gestalten. »Man behält nur 10 Prozent von dem, was man liest, aber 90 Prozent von dem, was man tatsächlich erlebt«, erklärt Porepp. Mithilfe von VR-Brillen werden immersive Lernerlebnisse erzeugt, bei denen die Lernenden tief in virtuellen (Schein-)welten eintauchen. Die Größenverhältnisse im Universum, mathematische Ebenenberechnungen oder andere abstrakte Unterrichtsinhalte werden so anschaulicher und damit verständlicher.

»Der zentrale Motor für Lernen aber ist«, macht die Psychologin Susanne Narciss deutlich, »dass wir feststellen, dass wir etwas dazulernen.« Wenn Lehrkräfte Fehler als Lerngelegenheiten und nicht als Misserfolge vermitteln, kann dies zur Steigerung der Lernbereitschaft bei Schülerinnen und Schülern beitragen. Während »One-size-fits-all«-Strategien und klassischer Frontalunterricht die Motivation zum Lernen zerstören können, führen neue didaktische Ansätze, innovative Unterrichtskonzepte sowie mehr digitale Lernunterstützung zu einer Steigerung des Lernanreizes.

Quelle: News4teachers