Bei den digitalen Schulen gilt Neckarsulm als Vorbild

Der Neckarsulmer Weg gilt als beispielhaft. Die Erfahrung zeigt: Nicht allein das Geld entscheidet über einen Erfolg. 
Die Pandemie hat die Digitalisierung an den Schulen beschleunigt. Aber: Digitale Schule ist mehr als Videokonferenz und Fernunterricht. Es geht dabei um den Einsatz digitaler Elemente im Unterricht, wann kommen Bücher auf die Tische, wann eine digitale Lernplattform?
Kleine Schulstandorte mit nur einer weiterführenden Schule haben es in der Regel leichter, ihre Bildungsstätte digital ins 21. Jahrhundert zu bringen. Schwieriger wird es in größeren Kommunen, wenn viele Kollegien und Rektoren sowie deren Befindlichkeiten unter einen Hut gebracht werden müssen und jederzeit Neiddebatten drohen können. Neckarsulm hat es trotzdem geschafft. 

In Neckarsulm ziehen alle an einem Strang 
Der Wirtschaftsstandort Neckarsulm hat noch viel Geld in der Stadtkasse, um damit seine Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Weil Zuschüsse flossen, kostet die Digitalisierung der Schulen die Stadt aber dennoch 1,3 Millionen Euro. Es gibt spezielle IT-Stellen für Schulen. Das Gespräch mit Marco Haaf, der als Geschäftsführender Schulleiter die Rektoren in der Stadt vertritt, und Michael Genne, der im Rathaus die Stabsstelle Digitalisierung Schulen leitet, verdeutlich aber einen anderen Aspekt: Mit Euro allein lässt sich kein digitaler Schulerfolg kaufen. Die Beteiligten müssen hier bereit sein, an einem Strang zu ziehen.

Schulträger verantwortet die IT, die Lehrer entscheiden über die Inhalte 
Das heißt beispielsweise: An einzelnen Schulstandorten beliebte IT-Systeme müssen Geschichte sein dürfen. Die beiden großen Schulen in Neckarsulm, die Hermann-Greiner-Realschule und das Albert-Schweitzer-Gymnasium, seien gerade dazu bereit gewesen, erinnert sich Marco Haaf. Die Schulverantwortlichen seien zudem auf offene Ohren im Rathaus gestoßen, denn auch das ist Marco Haaf ein großes Anliegen: Es müsse bei den Schulträgern die Bereitschaft da sein, die Schul-IT als Aufgabe der Stadt anzusehen - und eben nicht als etwas, das Lehrer wie vom Land vorgesehen nebenher machen können. Marco Haaf betont: Lehrer kümmern sich um die Inhalte, den Rest mache der Schulträger.

Das ist ein Umdenken zur vorherigen Zeiten, als wie sonst üblich auch in Neckarsulm jede Schule selbst über ihr Budget Drucker-Patronen kaufte und für die Ausstattung verantwortlich war. »Früher köchelte jede Schule ihr eigenes IT-Süppchen«, berichtet ebenfalls der IT-Beauftragte im Rathaus, Michael Genne. Das heißt zugleich, dass manchmal den Verwaltungen der Überblick fehlt, was sich überhaupt alles in der Stadt befindet. 

Stundenplan-Tool soll die Heizungsanlage steuern 
Von der Vereinheitlichung kann die Stadt an anderer Stelle profitieren: Das ASG prüft, das Stundenplan-Tool, das von allen Schulen genutzt wird, mit der Heizungssteuerung zu koppeln. Dann würden nur noch Räume geheizt, die tatsächlich belegt werden. 

Neckarsulm räumte das Wirrwarr auf und schuf klare Strukturen. Der städtische Weg, den Verantwortlichen bundesweit auf Kongressen vorstellen, beginnt bei den Leitungen. »Erst braucht man die Infrastruktur, dann kann man etwas draufsetzen«, sagt Marco Haaf. Oder ganz konkret gesagt: »Wenn man 30 Laptops in einem Zimmer hat, dann muss auch Saft aus dem WLAN kommen.« Außerdem arbeiten die städtische Stellen koordiniert zusammen: Früher hätten Schulen eigenverantwortlich Whiteboards bestellt. Erst als der Lieferant kam, stellte man fest, dass für die Hightech-Tafeln ja auch Steckdosen und Anschlüsse benötigt werden. Jetzt koordiniere man alles rechtzeitig. 

Am Gymnasium liegt der Server für alle Schulen 
Die Neckarsulmer Schulen sind über Glasfaser miteinander verbunden, der zentrale Server befindet sich im Albert-Schweitzer-Gymnasium. Und auch an anderer Stelle kommt dem ASG eine zentrale Rolle zu: Schulen haben Verantwortung abgegeben. Beispiel Beschaffung: Marco Haaf erinnert sich an Zeiten, als an allen Schulen insgesamt 104 Drucker standen, 72 verschiedene Modelle seien es gewesen. Vorbei sind die Zeiten, in denen jede Schule selbst über die Hardware entschied und dann selbst den Toner nachkaufte. Jetzt gibt es zentrale Vorgaben der Stadt. Es seien zwar immer noch 100 Drucker, aber es gebe nur noch zwei Modelle. Entsprechend übersichtlich mittlerweile das Nachfüll-Lager für die Drucker-Farbe, es reichen wenige Regal-Zentimeter in einem ASG-Zimmer. Am Gymnasium wird die Ware zentral angeliefert, von dort geht es in die Schulen. Marco Haaf ist glücklich: »Es hat uns Arbeit abgenommen.« 

Rektoren sind frustriert über die Datenschutz-Debatte 
Die Datenschutzdebatte um den Einsatz von Microsoft-Produkte nervt zahlreiche Schulen, die auf das System beim Fernunterricht zugegriffen haben. Das ASG ist mit dem Datenschützer in Kontakt. Mittlerweile hat sich das Kultusministerium direkt an die Schulen im Land gewandt. Aus der Region kommt trotzdem viel Kopfschütteln zur Debatte - auch weil viele Unternehmen auf Microsoft setzen. Konkret geht es um einen Satz aus Stuttgart, das Schreiben liegt unserer Zeitung vor: Gemäß einer Vereinbarung des Kultusministeriums mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit werde dieser - bis das Land den Schulen eine umfassende datenschutzkonforme Lösung gesamtheitlich zur Verfügung stelle - gegen Schulen, die MS365 nutzen, nicht vorgehen, solange keine sie betreffenden Beschwerden eingegangen seien. Ein Rektor ist frustriert. Gegenüber unserer Zeitung betont er: Was sei das für eine Rechtsauffassung? Wenn eine Beschwerde vorliege, dann sei es verboten, wenn es keine Beschwerde gebe, dann erlaubt? »Das versteht kein Mensch mehr.« 

Quelle: Heilbronner Stimme, Autor: Simon Gajer