Automatisch schlauer: Digitale Lernprogramme erzielen enorme Erfolge. Schulen sollten diese Innovation endlich nutzen.
"Stellen Sie sich vor, Bewohner des Jahres 1921 würden in der Zeitmaschine in unser Jahr 2021 katapultiert. Sicher hätten sie Schwierigkeiten, sich in unserem digitalisierten Alltag zurechtzufinden. Aber wie eine Schule aussieht und organisiert ist, das würde ihnen wohl bekannt vorkommen – die dicht an dicht besetzten Klassenzimmer mit Tafel und Lehrerpult vorne, die festen Klassenverbände, viele noch bekannte Unterrichtsinhalte, die nach Fächern strukturierten Stundenpläne mit festgelegten Pausenzeiten sowie Schulnoten als wichtiges Gesprächsthema. Der Grund dafür ist einfach: Echte Innovationen, die es erlauben würden, bei gleichem Ressourceneinsatz schneller oder besser zu lernen, hat es in den Schulen seit über 150 Jahren nicht gegeben.
Ein ganz anderes Bild würde sich den Zeitreisenden im 21. Jahrhundert in »EdTech«-Unternehmen bieten, die Bildungstechnologien entwickeln, etwa Learning-Analytics. Das ist Software, die Bildung für jedes Individuum personalisiert und dadurch effektiver und unterhaltsamer als klassischen Schulunterricht zu machen verspricht. Das Vorgehen dieser digitalen Lernprogramme, die automatisiert Daten der Nutzerinnen und Nutzer erheben und analysieren, gleicht dem menschlicher Lehrkräfte: anfangs Vorwissen erfassen, dann neue Inhalte präsentieren und einüben, Wissenslücken schließen und schließlich Lernstände prüfen. Anders als es jedoch Lehrkräfte können, berechnen Algorithmen den individuell effektivsten Lernpfad und geben Lernenden genau in dem Moment Feedback und Tipps, in dem sie es brauchen. Dafür erstellen Learning-Analytics Profile von Lernenden beispielsweise mit Informationen über ihre Stärken und Schwächen, ihr Lernverhalten und ihre Lernpräferenzen.
Die Mathe-Lernsoftware des Unternehmens Bettermarks, deren Inhalte deutschen Lehrplänen der vierten bis elften Klasse sowie der Berufsschulen entsprechen, umfasst 2000 Lernziele und 140.000 mögliche Lernpfade, die die Software aus 100.000 Aufgaben und 10.000 Aufgabentypen berechnet. Learning-Analytics-basierte Lernsoftware wie die von Mosa Mack Science, der Khan Academy, DreamBox Learning, Kahoot! und Beaconing motivieren zusätzlich mit Erklärvideos und Aufgaben in Form animierter Quiz- oder Lernspiele und dadurch, dass Lernfortschritte jederzeit einsehbar sind.
Studien zeigen, dass Learning-Analytics die Lernleistung steigern und sich Leistungsunterschiede in Klassen mit ihrer Hilfe reduzieren lassen: Im Fall von Bettermarks erzielen leistungsstärkere Schüler und Schülerinnen bis zu zehn Prozent bessere Lernergebnisse, leistungsschwächere sogar bis zu 30 Prozent.
Auch das relativ neue Prinzip »Mikrolernen«, also Lernen in kleinen, kurzen Einheiten, wird mit Lernsoftware möglich. Die Lernplattform Century bietet mehrere Tausend zwei bis 15 Minuten lange »Mikrokurse« (sogenannte Nuggets) in den Bereichen Englisch, Mathe und Naturwissenschaften an. Das Unternehmen Metis-edu geht einen Schritt weiter, indem es Lernenden erlaubt, sich institutionsunabhängig eigene Lern- und Kompetenzprofile aus diversen (Mikro-)Kursen zusammenzustellen und sie fälschungssicher zu dokumentieren..."